Mit Sonnenlicht die Chemie-Industrie nachhaltiger machen
Einem Forschungsteam der Universitäten Ulm und Jena ist es gelungen, die Entwicklung solargetriebener Katalysatoren entscheidend voranzutreiben. Ihre optimierten Photokatalysatoren sind effektiver als herkömmliche thermische Katalysatoren und legen damit einen Grundstein für die nachhaltige Nutzung regenerativer Energien in der Chemie-Industrie. Der Vorteil: Für eine Umstellung der Prozesstechnik auf sonnenbasierte Verfahren braucht es keine großen Investitionen.
Rund 80 Prozent aller Chemieerzeugnisse werden mit Hilfe katalytischer
Prozesse hergestellt. Katalysatoren beschleunigen chemische Reaktionen oder
bringen diese erst in Gang, indem sie die sogenannte Aktivierungsenergie
senken. Diese Aufgabe übernehmen häufig thermische Katalysatoren, deren
Einsatz gekoppelt ist an den Verbrauch fossiler Energien. Doch auch das Licht
der Sonne lässt sich für katalytische Prozesse effektiv nutzen. Den Beweis
dafür haben kürzlich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der
Universitäten Ulm und Jena erbracht. Ihnen ist es gelungen, einen
sonnenlichtgetriebenen Photokatalysator so zu optimieren, dass dieser schneller
und effizienter als ein konventioneller thermischer Katalysator arbeitet.
„Diese Entwicklung stößt das Tor zu einer nachhaltigen solaren Zukunft der
chemischen Industrie auf“, so Professor Sven Rau, Leiter des Instituts für
Anorganische Chemie I an der Universität Ulm.
Der Ulmer Chemiker hat gemeinsam mit seinem Jenaer Kollegen Professor Benjamin
Dietzek-Ivanšić eine Studie koordiniert, die die Leistungsfähigkeit von
Photokatalysatoren eindrucksvoll demonstriert. „Wir konnten zeigen, dass das
Design des Katalysators eine entscheidende Rolle für die Geschwindigkeit der
ablaufenden Lichtreaktion spielt – aber nicht für die thermische
Reaktion“, erklärt Dietzek-Ivanšić, der am Institut für Physikalische
Chemie der Universität Jena forscht und im Leibniz-Institut für
Photonische Technologien die Forschungsabteilung Funktionale Grenzflächen leitet. Der
untersuchte Photokatalysator besteht aus drei chemisch aktiven Bauteilen: einem
Zentrum für die Aufnahme der Lichtenergie, einer Brücke und einem
Katalyse-Zentrum. „Erstaunlicherweise stellte sich in den Experimenten
heraus, dass insbesondere der Aufbau der Brücke einen entscheidenden Einfluss
auf die Effizienz des Katalysators hat“, bestätigen die Erstautoren der
Untersuchung Dr. Linda Zedler (Uni Jena) und Pascal Wintergerst (Uni Ulm). Mit
Hilfe chemischer Synthesen, katalytischer Untersuchungen und ultraschneller
Spektroskopie konnte das Forschungsteam die ablaufenden Prozesse im Detail
aufklären.
Die in Nature Communications veröffentlichte Studie zeigt, dass sich solche
solargetriebenen Photokatalysatoren eignen, um aus energiearmen Ausgangsstoffen
energiereiche, qualitativ hochwertige Reaktionsprodukte zu erzeugen. Kommen
konventionelle thermische Katalysatoren zum Einsatz, braucht es dagegen
energiereichere Ausgangsstoffe, um vergleichbare Reaktionen zu
ermöglichen.
Nachweis an biotechnologisch bedeutendem Beispiel
Den Nachweis hierfür erbrachten die Chemikerinnen und Chemiker für ein
Anwendungsbeispiel mit großem biotechnologischen Potenzial: der
Wasserstoffanlagerung (Hydrierung) an Nikotinamid, wodurch ein energiereiches
Molekül mit umfassenden Einsatzmöglichkeiten entsteht. Die organische
Verbindung Nikotinamid ist ein zentraler Bestandteil von
Nikotinamidadenindinukleotid (NAD+ bzw. NADH). Dieses Coenzym ist in lebenden
Zellen an zahlreichen Redoxreaktionen des Stoffwechsels beteiligt. Für die
Forschenden ist die photokatalytisch vermittelte Hydrierung von Nikotinamid ein
sichtbarer Beleg, dass sich solare Chemie und biotechnologische Anwendungen
bestens koppeln lassen.
Mit den Bauplänen für zukünftige solargetriebene Katalysatoren, die das
Forschungsteam in dieser Studie etabliert hat, liefern die Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler darüber hinaus grundlegende Erkenntnisse, wie sich die
Energie des Sonnenlichtes effizient in chemische Bindungsenergie umwandeln und
als solche speichern lässt. Dieser Prozess ist zentral für die Nutzung von
Solarenergie nach dem Vorbild der Natur.
„Grundsätzlich hat das Forschungsprojekt aber eben auch gezeigt, dass sich
katalytische Prozesse mit Hilfe optimierter Photokatalysatoren auf eine solare
Grundlage stellen lassen – und zwar mit einem Gewinn an katalytischer
Effizienz“, versichern die Forschenden. Großinvestitionen in der
Chemie-Industrie sind dafür nicht nötig. Denn Stoffströme könnten
beibehalten werden, und die technologische Basis der chemischen Prozesstechnik
ließe sich ohne Probleme weiternutzen. Dies wäre ein wegweisender Schritt
für die chemische Industrie, um nachhaltiger zu werden und unabhängiger von
fossilen Brennstoffen.
Gefördert wurde das Projekt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des
Transregio-Sonderforschungsbereichs (SFB) 234 CataLight der Universitäten
Ulm und Jena. Der SFB wurde Ende Mai für weitere vier Jahre verlängert und
wird dafür mit 12 Millionen Euro ausgestattet. Das Ziel von CataLight ist es,
nach dem Vorbild der natürlichen Photosynthese Sonnenlicht für eine
klimafreundliche Energieversorgung zu nutzen. Weitere Fördermittel kommen aus
Doktorandenprogrammen der Studienstiftung des Deutschen Volkes und dem Fonds der Chemischen Industrie.
Publikationsnachweis:
Linda Zedler, Pascal Wintergerst, Alexander K. Mengele, Carolin Müller, Chunyu
Li, Benjamin Dietzek-Ivanšić & Sven Rau. Outpacing conventional nicotinamide
hydrogenation catalysis by a strongly communicating heterodinuclear
photocatalyst. Nature Communications. https://doi.org/10.1038/s41467-022-30147-4
(Foto: Elvira Eberhardt / Uni Ulm, AZULA-Photoreaktor mit Photokatalysatoren (rote Lösung) die mit blauem LED Licht kontrolliert bestrahlt werden)
Universität Ulm
Solargetriebene Katalysatoren erhöhen Effizienz
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