Dünger für die Welt! Schwerpunktprogramm zur Stickstoffumwandlung
Mit nachhaltiger Ammoniaksynthese die Düngemittelproduktion und letztlich die Welternährung verbessern. Dieses und weitere Fernziele verfolgt ein neues Schwerpunktprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Stickstoffumwandlung. Ein Anwendungsbereich ist die Ammoniaksynthese: Diese Chemikalie steckt in vielen unverzichtbaren Produkten – darunter Düngemittel. Forschende um Professor Dirk Ziegenbalg von der Universität Ulm waren bei der Ausschreibung hocherfolgreich: In den kommenden zunächst drei Jahren bearbeiten sie drei von insgesamt elf Projekten zur nachhaltigen und vor allem dezentralen Ammoniakherstellung.
Ammoniak (NH3) ist eine der bedeutendsten Grundchemikalien. Mit Hilfe dieser
Verbindung aus Stickstoff und Wasserstoff werden unter anderem Dünge- und
Kältemittel oder Kunststoffe produziert. Außerdem lässt sich Ammoniak als
Energie- und Wasserstoffträger nutzen. Auf Basis des so genannten
Haber-Bosch-Verfahrens werden jährlich rund 180 Millionen Tonnen Ammoniak
synthetisch hergestellt. Allerdings sind der Energieverbrauch und die
CO2-Emissionen hoch: Das Verfahren verursacht weltweit etwa ein Prozent des
jährlichen Treibhausgasausstoßes. Zudem sind große und komplexe
Produktionsstätten nötig.
In diesem Kontext hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) elf Projekte
für ein Schwerpunktprogramm zur nachhaltigen Stickstoffumwandlung ausgewählt.
In den kommenden insgesamt sechs Jahren wird die Entwicklung von neuartigen
elektro- und photokatalytischen sowie photoelektrokatalytischen Alternativen
vorangetrieben, die Stickstoff-Dreifachbindungen aufbrechen und das
Haber-Bosch-Verfahren ersetzen können. Allerdings beschränkt sich das
Schwerpunktprogramm nicht auf die Stickstoff-Reduktion. Auch zum Beispiel
oxidative Wandlungsprozesse sind gefragt.
Universität Ulm mit drei Projekten beteiligt
Forschende um Professor Dirk Ziegenbalg vom Ulmer Institut für Chemieingenieurwesenwaren mit gleich drei Projekten erfolgreich. Mit verschiedenen
Kooperationspartnern und ausgestattet mit rund 1,6 Millionen Euro tragen sie
zum neuen Schwerpunktprogramm 2370 „Nitroconversion“ bei. Koordiniert wird
das Programm von der Universität Bayreuth (Professor Roland Marschall).
Übergeordnetes Ziel der Ulmer Projekte ist die klimaneutrale Ammoniaksynthese:
Zum einen durch die Nutzung erneuerbarer Energien und zum anderen durch die
ganzheitliche Optimierung der Wertschöpfungskette. Außerdem soll die
Herstellung der Chemikalie effizienter werden, so dass Düngemittel
bedarfsgerecht und kostengünstig selbst in Entwicklungsländern hergestellt
werden können. In Gegenden mit nährstoffarmen Böden ließen sich so
Ernteerträge steigern und womöglich Hungersnöte abwenden. In diesem Sinne
erarbeitet Professor Dirk Ziegenbalg mit Professor Roland Marschall von der
federführenden Universität Bayreuth sowie dem Deutschen Zentrum für Luft-
und Raumfahrt (DLR) in Köln ein Verfahren zur lichtgetriebenen
Ammoniakerzeugung „on demand“. Die Forschenden entwickeln eine Strategie,
um nanostrukturierte Halbleiter (TiO2 Aerogele) durch Lichtbestrahlung mit
Elektronen aufzuladen und diese zu speichern. Selbst bei kompletter Dunkelheit
können diese Halbleiter mit N2 entladen werden, um katalytisch Ammoniak zu
produzieren.
Weiterhin arbeiten die Forschenden an einem Reaktorkonzept, um diese Form der Ammoniakproduktion „on demand“ im Detail zu verstehen und letztlich dezentral durchführen zu können. „Unser Reaktor ermöglicht eine Trennung der verschiedenen Schritte bei der Ammoniakproduktion in Lichtabsorption und N2-Reduktion. Dadurch können wir jeden Reaktionsschritt einzeln untersuchen und optimieren“, erklärt Professor Dirk Ziegenbalg. Dieses Reaktorkonzept, das die Zwischenspeicherung von geladenen nanostrukturierten Materialien ermöglicht, ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zu effizienten und dezentralen Chemieanlagen zur Produktion von Ammoniak und schließlich Düngemitteln.
Alternative Wege der Ammoniakproduktion
In zwei anderen Projekten mit Ulmer Beteiligung prüfen die Forschenden weitere Alternativkonzepte zur Ammoniakerzeugung. Gemeinsam mit Professor Carsten Streb, der kürzlich von der Universität Ulm nach Mainz gewechselt ist, entwickelt Professor Ziegenbalg so genannte Durchfluss-Photoreaktoren für die dezentrale Ammoniumnitratproduktion aus Stickstoff, Wasser, Sonnenlicht und nachhaltigem Strom. Um die Herausforderungen von der molekularen bis zur Reaktorebene zu meistern, setzen die Chemiker auf neuartige Konzepte im Materialdesign, bei der Elektrodenherstellung und Reaktionstechnik. Die Integration der Elektrode in 3D-gedruckte Durchfluss-Photoreaktoren erlaubt die umgehende Anpassung der chemischen sowie reaktionstechnischen Anforderungen.
Aber auch die photoelektrochemische Stickstoff-Fixierung ist eine Option
für die klimaneutrale Ammoniakherstellung. Im dritten Projekt gehen Theorie,
Simulation und Experiment Hand in Hand. Professor Timo Jacob, Leiter des Ulmer
Uni-Instituts für Elektrochemie, will mit Kollegen aus München und
Düsseldorf die Eigenschaften und die photokatalytische Aktivität von zwei
neuartigen kupferbasierten, das Sonnenlicht absorbierenden Oxidphotokathoden
untersuchen. „Dieses Projekt adressiert gleich zwei Kernthemen des
Schwerpunktprogramms: zum einen die Katalysatorsynthese und physikochemische
Charakterisierung und zum anderen die experimentelle und theoretische
Untersuchung des Reaktionsmechanismus“, erläutert Professor Timo Jacob.
Insgesamt werde die Kooperation der Theoretiker und Experimentatoren dazu
beitragen, katalytisch aktive Oberflächenstrukturen für die
photoelektrochemische Stickstoffreduktionsreaktion zu identifizieren und
Hinweise auf relevante Reaktionsmechanismen zu geben.
So verschieden die Ansätze auch sein mögen: Auf unterschiedlichen Ebenen
adressieren sie gleich mehrere Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen –
darunter bezahlbare und saubere Energie sowie Maßnahmen zum Klimaschutz.
An den drei Ulmer Projekten (2022 -2025) sind Forschende der Universitäten
Bayreuth, Mainz, der TU München, des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt in Köln sowie des Max-Planck-Instituts für Eisenforschung in
Düsseldorf beteiligt.
Über DFG-Schwerpunktprogramme
Schwerpunktprogramme der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) behandeln aktuell bedeutende Forschungsthemen und dienen der Weiterentwicklung der Wissenschaft. Hierzu bündeln überregional und interdisziplinär Forschende in Einzelprojekten ihre Expertise. Die Förderung ist auf sechs Jahre ausgelegt – aufgeteilt in zwei Förderphasen.
(Foto: Elvira Eberhardt/Uni Ulm, Photoreaktor zur Umsetzung von gasförmigen mit flüssigen Substanzen – zum Beispiel Stickstoff mit Wasser)
Universität Ulm
Neues Schwerpunktprogramm zur Stickstoffumwandlung
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