Meilenstein für die Quantentechnologie
Physiker aus Ulm und Paris haben einen Generator entwickelt, mit dem sich bis zu sechs Photonen gleichzeitig erzeugen lassen. Die relativ einfach aufgebaute Apparatur könnte zukunftsträchtige Quantentechnologien auf die nächste Ebene heben – vom hochleistungsfähigen Quantencomputer bis zur abhörsicheren Informationsübertragung via Quantenkryptographie. Die Forschenden um den Experimentalphysiker Dr. Gerbold Ménard und den Theoretiker Professor Joachim Ankerhold stellen den neuartigen „Multiphotonen-Generator“ im Fachjournal „Physical Review X“ vor.
Miteinander verschränkte Lichtquanten (Photonen) sind grundlegend für
viele Quantentechnologien. Doch bislang konnten im Mikrowellen-Bereich maximal
zwei Photonen gleichzeitig produziert werden. Nun ist es Forschenden der
Universitäten Paris-Saclay und Ulm gelungen, mit einer recht simplen Apparatur
Quanten-Mikrowellen zu erzeugen, bei denen die Photonen-Freisetzung in Paketen
erfolgt. Erstmals wurden sechs Lichtquanten gleichzeitig emittiert.
Bei dem deutsch-französischen Forschungsprojekt gehen Theorie und Experiment
Hand in Hand. „In vorherigen Studien hatten wir bereits in supraleitenden
Schaltkreisen gezeigt, dass eine extrem starke Wechselwirkung zwischen
elektrischen Ladungen und Photonen realisiert werden kann. Gemäß der
zugrundeliegenden Theorie, der Quantenelektrodynamik, sollte die Erzeugung
multipler Photonen also möglich sein“, beschreibt Professor Joachim
Ankerhold, Leiter des Ulmer Instituts für Komplexe Quantensysteme, die
Ausgangslage.
Theorie und Experiment arbeiten Hand in Hand
Um diese theoretische Annahme im Experiment zu bestätigen, haben die
Forschenden supraleitende Schaltkreise verwendet wie sie im Quantencomputing
eingesetzt werden. Herzstück des Versuchsaufbaus sind so genannte
Josephson-Kontakte, die in Verbindung zu Resonatoren für Mikrowellen stehen.
Durch diese, 1973 mit dem Nobelpreis geadelten supraleitenden Kontakte, können
Ladungsträger aufgrund des quantenmechanischen Tunneleffekts transportiert
werden.
„Das Anlegen einer Spannung am Josephson-Kontakt führt zum Transfer von
Paketen elektrischer Ladungen. Die dabei freigesetzte und auf die Pakete
übertragene Energie wird vollständig in Lichtquanten transformiert. Diese
Teilchen werden letztlich aus dem Resonator emittiert, wodurch detektierbare
Mikrowellen-Photonen entstehen“, erläutern der Experimentator Ménard und
der Theoretiker Ankerhold. Der beschriebene Vorgang funktioniert allerdings
nur, wenn die gewonnene Energie der Ladungsträger mit der Energie von
Lichtquanten im Resonator übereinstimmt.
Im Experiment gelang es den Physikern nun erstmals, mit einem einzigen
Ladungstransfer sechs Photonen gleichzeitig zu erzeugen, die simultan
freigesetzt wurden. Auf theoretischer Ebene konnten die erstaunlichen
Ergebnisse im Detail quantitativ beschrieben werden.
Kleine Apparatur - große Wirkung
Der neuartige Multiphotonen-Generator in „Chip-Größe“ wirkt relativ einfach konstruiert: Sein Durchmesser beträgt nur etwa 500 Mikrometer. Dennoch werden Quantentechnologien womöglich stark von der Apparatur profitieren, die eine kontrollierte Erzeugung gleich mehrerer Photonen-Paare ermöglicht. Neben der Forschung reichen potenzielle Anwendungen von der Quantensensorik über die Quantenkommunikation bis zum Quantencomputing. Die neuartige Multi-Photonen-Quelle kann beispielsweise dazu beitragen, zukünftige hochintegrierte Schaltkreise, wie sie im IBM-Quantencomputer in Ehningen verbaut sind, skalierbar zu gestalten und höhere Leistungsdichten zu erzielen.
Im nächsten Schritt soll die Apparatur – theoretisch fundiert – so
ausgebaut werden, dass Photonenpakete den Resonator in kontrollierter
zeitlicher Abfolge verlassen.
Solche Fragestellungen stehen auch im Mittelpunkt des neu eingerichteten
Carl-Zeiss-Stiftung Centers „QPhoton“. An den Standorten Ulm und Stuttgart
wirken Theorie, Experiment und Technologieentwicklung zusammen.
Das Vorhaben wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen eines deutsch-französischen Förderprogramms unterstützt sowie vom Europäischen Forschungsrat (ERC) und nationalen Förderorganisationen.
Literaturnachweis:
G. C. Ménard, A. Peugeot, C. Padurariu, C. Rolland, B. Kubala, Y. Mukharsky,
Z. Iftikhar,
C. Altimiras, P. Roche, H. le Sueur, P. Joyez, D. Vion, D. Esteve, J.
Ankerhold, F. Portier. Emission of photon multiplets by a dc-biased
superconducting circuit. Physical Review X 12, 021006 (2022). https://doi.org/10.1103/PhysRevX.12.021006
(Foto: Eberhardt/Uni Ulm, Prof. Joachim Ankerhold leitet das Institut für Komplexe Quantensysteme und ist Vizepräsident für Forschung der Uni Ulm)
Universität Ulm
6 Photonen auf einen Streich! Forschergruppe entwickelt Multiphotonen-Generator
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