Nie mehr brennende Smartphone-Akkus?
In Flammen stehende Laptops oder Smartphones sind oft auf so genannte Dendriten in Batterien zurückzuführen. Diese astartigen Auswüchse an der negativen Elektrode („Anode“) können Kurzschlüsse auslösen, die zum Batteriebrand führen.
Warum die häufig in mobilen Endgeräten eingesetzten Lithium-Ionen-Speichersysteme zur Dendritenbildung neigen, magnesiumbasierte Batterien jedoch zum Beispiel nicht, haben Ulmer Forscher um Professor Axel Groß und Markus Jäckle untersucht. Anhand von Simulationen an Supercomputern konnten sie erstmals Metalleigenschaften identifizieren, die das Dendritenwachstum beeinflussen. Auf dieser Basis lassen sich Designempfehlungen formulieren, die bei der Entwicklung zuverlässiger neuer Speichersysteme helfen – nicht nur für Smartphones und Laptops, sondern auch im Hinblick auf globale Herausforderungen wie die Energiewende und die zunehmende Elektromobilität. Die Ergebnisse der Forschergruppe sind in der Fachzeitschrift „Energy&Environmental Science“ erschienen.
Sicherheitsrisiko Smartphone: Vor einiger Zeit haben explodierende Akkus
eines bekannten Mobiltelefon-Herstellers Schlagzeilen gemacht. Solche
Kurzschlüsse werden oft durch Dendriten verursacht, die beim Wiederaufladen
der Batterie zu einem Materialverlust an der Anodenseite führen. Das
Sicherheitsrisiko geht aber vor allem von Kurzschlüssen aus, bei denen in
kurzer Zeit viel Energie frei wird, und die im Zusammenspiel mit entflammbaren
Elektrolyten eben jene Batteriebrände auslösen.
Bisher glauben viele Forschergruppen, dass die Zusammensetzung der
Oberflächenschicht auf der negativen Elektrode und des Elektrolyten
ursächlich für die Dendritenbildung ist. Allerdings deuten neue
experimentelle Forschungsergebnisse aus dem Helmholtz-Institut Ulm (HIU) – einer
gemeinsamen Einrichtung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), der
Universität Ulm und ihrer Partner – in eine andere Richtung: Demnach scheint
eine dem Metall innenwohnende Eigenschaft die astartigen Auswüchse zu
bedingen. Dabei haben die Autoren die so genannten Selbstdiffusionsbarrieren
verschiedener Metalle im Blick, die in Akkus verwendet werden. Diese Barrieren
sind dafür verantwortlich, wie gleichmäßig sich Metallatome beim
Wiederaufladen der Batterie, nach der Abscheidung, auf der Anoden-Oberfläche
verteilen.
Indikator für Dendritenwachstum gesucht
„Wir haben uns gefragt, ob es eine einfache physikalisch-chemische
Materialeigenschaft, einen so genannten Deskriptor gibt, mit dessen Hilfe man
vorhersagen kann, ob metallische Anoden in Batterien zum Dendritenwachstum
neigen. Dabei sind wir davon ausgegangen, dass die Beschaffenheit der
Anoden-Oberfläche, ob rau oder glatt, einen erheblichen Einfluss auf die
Dendritenbildung hat“, sagt Professor Axel Groß, Leiter des Instituts für Theoretische Chemie an der Uni
Ulm sowie Gruppenleiter am HIU. Ein solcher Deskriptor wäre hochrelevant, denn
weltweit suchen Forschende nach zuverlässigen Nachfolgesystemen für
Lithium-Ionen-Batterien. Alternativen zum immer seltener werdenden Lithium, das
in Energiespeichern meist in Kombination mit dem ebenfalls kritischen
Übergangsmetall Kobalt verwendet wird, reichen von Aluminium, Natrium und
Magnesium bis zu Zink.
Für ihre Publikation haben die Wissenschaftler um Professor Axel Groß
Forschungsergebnisse aus Theorie sowie Experiment kombiniert: Anhand von
Simulationen konnten sie die experimentellen Daten aus dem HIU und von anderen
Einrichtungen im Detail nachvollziehen. Mithilfe der Supercomputer JUSTUS (Ulm)
und SUPERMUC aus dem Leibniz-Rechenzentrum in München berechnete die Gruppe
Diffusionsbarrieren und Eigenschaften unterschiedlicher, in Batterien
verwendeter Materialien auf atomarer Ebene.
Die Ergebnisse ihrer Berechnungen bestätigen die wichtige Rolle der
Selbstdiffusionsbarrieren: Beim Wiederaufladen der Batterie, nach dem
Abscheiden, verteilen sich Metallatome äußerst gleichmäßig, wenn die
Diffusionsbarrieren niedrig sind. Entsprechende Materialien, beispielsweise
Magnesium oder Aluminium, zeigen dadurch kein Dendritenwachstum. Im Fall von
hohen Diffusionsbarrieren wie bei Lithium- und Natrium-Speichern bilden sich
jedoch raue Oberflächen, die nadelartige, dendritische Strukturen
begünstigen. Demnach erlaubt die Höhe der Diffusionsbarrieren als Deskriptor
Vorhersagen darüber, ob metallische Anoden in Batterien zu Dendritenwachstum
neigen oder nicht.
Wichtige Hinweise für die
Batterieentwicklung
Aus dem Beitrag der Forschenden lässt sich zwar noch keine vollständige
Theorie des Dendritenwachstums ableiten, wohl aber Designprinzipien für
sichere Batterien.
„Unsere Ergebnisse lassen erwarten, dass wir Dendritenwachstum durch eine
Verringerung der Höhe von Selbstdiffusionsbarrieren gezielt verhindern
können. Dies gelingt zum Beispiel durch die Modifikation der
Anoden-Oberfläche. Eine andere Möglichkeit wäre es, von vornherein
Anodenmaterialien mit niedrigen Selbstdiffusionsbarrieren auszuwählen, die
aufgrund dieser Eigenschaft nicht zur Dendritenbildung neigen“, erklärt
Erstautor und HIU-Doktorand Markus Jäckle.
Das Forschungsvorhaben ist im Zuge der Forschungsplattform CELEST (Center for
Electrochemical Energy Storage Ulm-Karlsruhe) entstanden, die von der
Universität Ulm, dem KIT und dem Zentrum für Sonnenergie- und
Wasserstoffforschung Baden-Württemberg (ZSW) betrieben wird. Bei den
Berechnungen wurden die Forschenden durch das Programm „High Performance
Computing in Baden-Württemberg“ (bwHPC) und das Gauss Center for
Supercomputing unterstützt. Die Besonderheit: An dem aktuellen Projekt haben
nicht nur etablierte Professoren mitgewirkt, sondern bereits Nachwuchsforscher
– von Bachelorstudierenden bis zu Doktoranden.
(Symbolbild: Ute Mulder_pixelio)
Universität Ulm
Designprinzipien für sichere Batterien der Zukunft identifiziert
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