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Unterschiede in der Flächenbewirtschaftung wirken sich auf bestäubende Insekten aus

Pressemitteilung vom 21.10.2024

Je ausgedehnter biologisch bewirtschaftete Landwirtschaftsflächen sind, desto besser
können sich Populationen einer bestimmten Mauerbienenart entwickeln. Zu diesem
Ergebnis kommt ein Forschungsteam unter der Leitung des Ulmer Bienenexperten Dr.
Samuel Boff. Die Studie, die nun in der Fachzeitschrift Science of the Total Environment
veröffentlicht wurde, weist nicht nur nach, dass in Gebieten, in denen chemische
Pestizide eingesetzt werden und weniger Blüten als Nahrungsquellen verfügbar sind,
weniger Bienen leben. Die Untersuchung belegt auch, dass eine konventionelle
Landbewirtschaftung die Fortpflanzungskommunikation von Wildbienen stören kann.

Forschende beobachten seit Jahren, dass besonders in landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten die Zahl von Wildbienen dramatisch sinkt. Wildbienen sind als Bestäuber für die Nahrungsmittelproduktion unverzichtbar und spielen eine sehr wichtige Rolle für die Erhaltung der biologischen Vielfalt. Der Rückgang der Tiere gefährdet die Ernährungssicherung und Ökosysteme weltweit. Um den Gründen für die sinkende Zahl an Wildbienen auf Landwirtschaftsflächen auf die Spur zu kommen, hat Dr. Samuel Boff vom Institut für Evolutionsökologie und Naturschutzgenomik der Universität Ulm mit weiteren Ulmer Forschenden und einem internationalen Team untersucht, wie sich unterschiedliche Bewirtschaftungsformen – biologisch versus konventionell – auf Wildbienenpopulationen auswirken. Im Fokus stand dabei die Mauerbienenart Osmia bicornis.

Überwachung mit „Bienenhotels“

Die Forschenden stellten für ihre Beobachtungen „Bienenhotels“, also künstliche Nisthilfen, in acht konventionell und sieben biologisch bewirtschafteten Betrieben in Baden-Württemberg auf. Für ein möglichst unverfälschtes Ergebnis wählten sie die überwachten Flächen jeweils so aus, dass sie den normalen Bewegungsradius der Bienen, der auf etwa 500 Meter um die Nistplätze herum begrenzt ist, abdeckten. Das Team dokumentierte Landschaftsmerkmale, darunter das Ausmaß biologisch bewirtschafteter Anbauflächen, sowie die Anzahl der Pflanzen, die als Nahrungsquelle dienen, und verglich die Anzahl der Bienennester und Nachkommen sowie die Körpergrößen des Nachwuchses. Zudem führten die Forschenden chemische Analysen der sogenannten kutikulären Kohlenwasserstoffe auf der Körperoberfläche der Bienen durch. Diese haben eine Schutzfunktion, dienen aber auch der sexuellen Kommunikation zwischen Geschlechtspartnern. Damit spielen die kutikulären Kohlenwasserstoffe eine wichtige Rolle bei der Fortpflanzung. Nachdem sie den Einfluss der Anbausysteme auf die chemische Zusammensetzung der Verbindungen festgestellt hatten, testeten die Forschenden in Laborexperimenten biologische Reaktionen, um nachzuvollziehen, inwiefern das jeweilige Anbausystem die chemischen Verbindungen an den Bienenkörpern beeinflusst und ob sich dies auf das Paarungsverhalten auswirkt.

Mehr Bio, mehr Nachwuchs

„Wir haben festgestellt, dass die Populationsgröße mit der Ausdehnung biologischer Landwirtschaft in der Landschaft zunimmt. In Regionen mit einem höheren Anteil an biologischem Landbau und keinem oder reduziertem Pestizideinsatz gab es eine höhere Blütenvielfalt und mehr verfügbare Nahrungsressourcen für Bestäuber. Hier haben wir mehr Weibchen gezählt, die Nester bauten, und die Anzahl der von ihnen gebauten Brutkammern sowie der Nachkommen war höher“, berichtet Projektkoordinator Boff. Die Körper des – geringeren – Nachwuchses von Bienen in konventionellen Gebieten waren indes größer. Möglicherweise, um aufgrund der schlechteren Nahrungsverfügbarkeit in der Umgebung ihrer Nester in den konventionellen Gebieten die Sammelfähigkeiten zu verbessern.

Gestörte sexuelle Kommunikation

„Die Studie belegt des Weiteren, dass konventionelle Landwirtschaft die chemische Kommunikation der Bienen stört. Die kutikulären Kohlenwasserstoffe auf der Körperoberfläche der untersuchten Bienen in konventionell bewirtschafteten Gebieten unterschieden sich von denen in biologischen“, sagt Professor Manfred Ayasse von der Universität Ulm. Der stellvertretende Leiter des Instituts für Evolutionäre Ökologie und Naturschutzgenomik ist CoAutor der Studie. Besonders zwei Verbindungen, (Z)-11-Heptacosen und (Z)-9-Nonacosen, zeigten sich bei Weibchen aus konventionellen Betrieben häufiger. Im Labor beobachteten die Forschenden, dass diese Bienen eine stärkere sexuelle Anziehungskraft auf Männchen aus einem neutralen Gebiet ausübten. „Die Männchen zeigten gegenüber diesen Weibchen ausgeprägtere sexuelle Signale in Form von deutlicherem präkopulatorischen Verhalten, wie Flügelfächeln und Paarungsversuchen – ein Hinweis auf eine veränderte sexuelle Kommunikation in Folge des häufigeren Vorkommens der Verbindungen (Z)-11-Heptacosen und (Z)-9-Nonacosen bei den weiblichen Bienen aus konventionellen Betrieben“, erklärt Boff. Ein denkbarer Grund dafür ist, dass Bienen aus konventionellen Betrieben aufgrund kleinerer Populationen einer stärkeren Konkurrenzsituation ausgesetzt sind und daher mehr Sexualpheromone produzieren, um ihre Anziehungskraft zu steigern.

„Wir haben nachgewiesen, dass konventionelle landwirtschaftliche Praktiken nicht nur die Nahrungsquellen der Bienen beeinflussen, sondern auch tiefgreifende Auswirkungen auf ihr Fortpflanzungs- und Paarungsverhalten haben können“, unterstreicht Boff. „Wir wissen noch nicht, welche Folgen dies genau hat, aber unsere Ergebnisse heben den Einfluss des Anbausystems auf die Fortpflanzung der Wildbienen hervor. Die Auswirkungen der chemischen Veränderungen weiter zu untersuchen, etwa auf die molekularen Abweichungen und ob ähnliche Effekte auch bei anderen Bestäuberarten beobachtet werden können, sind wichtige Ansatzpunkte für weitere Untersuchungen.“

Gefördert wurde das Forschungsprojekt von der Aurelia-Stiftung und der Software AG-Stiftung (SAGST).

Universität Ulm

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