Grüner Wasserstoff auf Knopfdruck
Ulmer Forschende präsentieren neuen Lösungsansatz für eine der größten Herausforderungen der solaren Energiewandlung: Ihnen ist es gelungen, ein System zu entwickeln, das die lichtgetriebene Herstellung von Wasserstoff zu jeder Tages- und Jahreszeit ermöglicht. Zukünftige Anwendungsbereiche dieser photochemischen Einheit reichen von der bedarfsgerechten Wärmeerzeugung bis zur Versorgung wasserstoffbetriebener Fahrzeuge „on demand“. Die Forschenden der Universitäten Ulm und Jena stellen ihr System, das auf einem einzigen Molekül beruht, im Fachjournal „Nature Chemistry“ vor.
Wasserstoff (H2) soll eine Schlüsselrolle bei der Energiewende spielen – so will es die 2020 auf den Weg gebrachte nationale Wasserstoffstrategie. Um jedoch einen signifikanten Beitrag auf dem Weg zur Klimaneutralität zu leisten, muss dieser Energieträger „grün“ sein – also ausschließlich mit erneuerbaren Energien hergestellt. Doch wie lässt sich zum Beispiel solarer Wasserstoff je nach Bedarf abends oder im Winter produzieren? Ulmer Chemikerinnen und Chemiker könnten eine Antwort gefunden zu haben: Erstmals ist es ihnen mit einem molekularen photochemischen System gelungen, die sonnenlichtgetriebene Wasserstoffherstellung vom Tagesverlauf zu entkoppeln. Das neue System macht sogar die Lichtenergie-Speicherung möglich, so dass die Wasserstoffproduktion nachfrageorientiert und auch bei Dunkelheit starten kann.
Einzelmolekül kann Sonnenlicht aufnehmen, Energie speichern und Wasserstoff produzieren
Frühere Modelle zur Wasserstoffherstellung beruhten oftmals auf der
Kopplung mehrerer Komponenten wie Photovoltaik-Zellen, Batterien und
Elektrolyseuren. Dabei summieren sich die Energieverluste jedoch bei jedem
Schritt; die Wasserstoffproduktion ist wenig effizient. Im Gegensatz dazu
basiert die Ulmer Alternative auf einem einzigen Molekül, das Sonnenlicht
aufnehmen, Energie speichern und Wasserstoff herstellen kann. In dieser
kompakten Einheit wird also die räumliche und zeitliche Trennung dieser
Schritte möglich. „Lichteinstrahlung führt in unserem Molekül zur
Ladungs-Trennung und Elektronen-Speicherung – im Ergebnis entsteht ein
flüssiger, leicht speicherbarer Treibstoff. Die bedarfsgerechte Erzeugung des
gasförmigen Wasserstoffs wird durch die Zugabe einer Protonen-Quelle
erreicht“, erklärt Professor Carsten Streb vom Institut für
Anorganische Chemie I der Universität Ulm.
Die Forschenden haben die Leistungsfähigkeit ihres Systems mit verschiedensten
Analysemethoden überprüft (u.a. Katalysetests und Photophysikalische
Studien). Im Ergebnis zeigt die molekulare Einheit eine exzellente chemische
und photochemische Stabilität. „Der modulare Aufbau des Systems ermöglicht
chemische Veränderungen und eine Optimierung des Gesamtsystems“, erklärt
Erstautor Dr. Sebastian Amthor, der an der Universität Ulm promoviert hat und
nun in Spanien forscht. In Zukunft soll das Modell hochskaliert werden und
somit als „Blaupause“ für dezentrale Energiespeicher dienen.
Anwendungsmöglichkeiten reichen von der klimafreundlichen Strom- und
Wärmeerzeugung bis zu mobilen, solarbetriebenen H2-Tankstellen für LKW und
Busse.
Entwicklung im Transregio-Sonderforschungsbereich CataLight
Entwickelt wurde das photochemische System im Zuge des Transregio-Sonderforschungsbereichs
TRR 234 CataLight. In dem mit 10 Millionen Euro geförderten Verbundprojekt
nehmen sich Forschende der Universitäten Ulm und Jena die Photosynthese zum
Vorbild und entwickeln neue Materialien für die Energiewandlung – ein
Beispiel sind künstliche Chloroplasten für die Wasserstoffherstellung.
Für die aktuelle Publikation wichtige Strukturanalysen und
optisch-spektroskopische Arbeiten, die die Antwort des Katalysators auf Licht
beschreiben, wurden am Zentrum für Energie und Umweltchemie (CEEC Jena) der
Universität Jena durchgeführt. Dabei kam unter anderem ein Hightech-Gerät
zur hochauflösenden Massenspektrometrie zum Einsatz, das durch EU-Mittel im
Rahmen der regionalen Innovationsstrategie des Freistaates Thüringen
angeschafft wurde. „Erst mit diesem Gerät war es möglich, die Strukturen
der neuen molekularen Katalysatoren im Detail zu bestimmen“, betonen die
Jenaer Wissenschaftler Professor Ulrich S. Schubert und Professor Benjamin
Dietzek-Ivanšić.
Der Sonderforschungsbereich TRR 234 Lichtgetriebene molekulare Katalysatoren
in hierarchisch strukturierten Materialien: Synthese und mechanistische Studien
(CataLight) wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert.
Sebastian Amthor, Sebastian Knoll, Magdalena Heiland, Linda Zedler, Chunyu Li, Djawed Nauroozi, Willi Tobaschus, Alexander K. Mengele, Montaha Anjass, Ulrich S. Schubert, Benjamin Dietzek, Sven Rau, and Carsten Streb: A single molecule capable of decoupling light- and dark reactions for on-demand solar hydrogen production. Nature Chemistry. DOI: 10.1038/s41557-021-00850-8
(Foto: Heiko Grandel, Bestrahlungsapparatur im Institut für Anorganische Chemie I: Hier wurden Messungen für die aktuelle Publikation durchgeführt.)
Universität Ulm
Einzelmolekülkatalysator produziert solaren Brennstoff auch bei Dunkelheit
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