Mit Schnupfenviren gegen Krebs Innovationspreis der BioRegionen für molekulare Badehaube
Das Phänomen ist selten, jedoch seit Jahrzehnten bekannt: Patienten, die sich mit einem Virus infizieren, werden von ihrer Krebserkrankung geheilt. PD Dr. Florian Kreppel von der Abteilung Gentherapie der Universität Ulm will diesen unglaublichen Mechanismus nicht dem Zufall überlassen, sondern eines Tages standardmäßig in der Krebstherapie einsetzen. Um seine patentierte Methode, in deren Zentrum Adenoviren und „molekulare Badehauben“ stehen, bis zur klinischen Studie zu bringen, wollen er und sein Team das Biotechnologie-Unternehmen Ad-O-Lytics gründen. Starthilfe erhalten Kreppel und seine Mitstreiter durch den Innovationspreis der BioRegionen, mit dem sie kürzlich bei den Deutschen Biotechnologietagen in Leipzig ausgezeichnet wurden.
Der Mechanismus hinter der erstaunlichen Heilung
ist so einfach wie genial: Die Viren vermehren sich bevorzugt in Tumorgewebe
und zerstören dabei Zellen. Dadurch werden Bruchstücke des Tumors frei, die
wiederum eine Immunreaktion gegen den Krebs auslösen. Bisher gab es jedoch ein
großes Problem: Wie erreicht das Virus, in diesem Fall ein einfacher
Schnupfen–Erreger („Adenovirus“), gezielt den Tumor – vor allem, wenn
dieser bereits Metastasen gestreut hat? Der einfachste Weg ist ganz klar über
die Blutbahn, doch auf ihrer Reise durch den Körper werden die Erreger
ständig von der körpereigenen Abwehr attackiert, die Angriffspunkte auf der
Virusoberfläche ausnutzt. „Für diese sensiblen Punkte haben wir eine
,molekulare Badehaube‘ entwickelt, die die Erreger vor Angriffen schützt und
sie ungestört durch das Blut zum Tumor und möglichen Metastasen ,schwimmen‘
lässt“, erklärt Florian Kreppel. Bei dieser Badehaube handelt es sich um
Polymermoleküle, die passgenau für die Angriffsflächen designt werden. Um
entsprechende Andockstellen für diese Moleküle zu schaffen, verändern die
Biochemiker lediglich einen Baustein im Viren-Erbgut. Alle weiteren
Eigenschaften des Erregers bleiben erhalten.
„Bisher hat man beispielsweise versucht, Viren vollständig ,einzuwickeln‘,
um sie so vor der Immunabwehr zu schützen. Doch dann waren sie nicht mehr
infektiös, konnten dem Tumor also nichts mehr anhaben“, erläutert Kreppel.
Sein Verfahren, das biochemische und genetische Methoden kombiniert,
funktioniert bereits im Mausmodell sowie in humanen Blutproben und lässt sich
voraussichtlich bei allen Krebsarten anwenden. 2019 planen die Wissenschaftler
klinische Tests.
„Bisher gibt es in Deutschland keine Biotech-Unternehmen, die sich gezielt
mit einer Verabreichung von Viren über die Blutbahn zur Behandlung von Krebs
befassen. Ad-O-Lytics wird hier eine Vorreiterrolle einnehmen“, betont
Florian Kreppel. Beteiligt sind neben dem Biochemiker der Leiter der Abteilung
Gentherapie, Professor Stefan Kochanek, sowie Dr. Andrea Hoffmeister. Als
Betriebswirtin steht den Forschern Barbara Eberbach bei der Ausgründung zur
Seite.
Der mit 2000 Euro dotierte Preis, der den Ausgezeichneten vor allem Sichtbarkeit beschert, geht erst zum zweiten Mal an die Uni Ulm. 2010 wurde Professorin Lisa Wiesmüller von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe geehrt.
Universität Ulm
Mit Schnupfenviren gegen Krebs Innovationspreis der BioRegionen für molekulare Badehaube
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gegründet | 1967 |