Genregulator SRF schützt Motoneurone vor neurodegenerativen Prozessen
Eine Ulmer Studie zur Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) hat aufgedeckt, dass der Genregulator SRF (Serum Response Factor) Motoneurone, die für ALS anfällig sind, vor neurodegenerativen Effekten schützt. In einem ALS-Mausmodell, in dem dieser Genregulator deaktiviert war, brach die Krankheit früher aus und schritt schneller voran. Der Genregulator, der eine große Rolle bei der Erregbarkeit von Nervenzellen spielt, hat also entscheidenden Einfluss auf die Anfälligkeit der Motoneurone für ALS.
Veröffentlicht wurde die Studie im Journal of Clinical Investigation, JCI Insight.
Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine bislang unheilbare Erkrankung des motorischen Nervensystems, bei der die Motoneurone des Gehirns und des Rückenmarks ihre Funktion verlieren. Es kommt zu langsam fortschreitender Muskelschwäche, zu Lähmungen und Steifigkeit. Betroffen sind Arme und Beine, aber auch der Rumpf sowie Zunge, Schlund und Kehlkopf. Die Ursachen für diese neurodegenerative Erkrankung sind bislang im Detail noch nicht bekannt. Man vermutet, dass die intrazelluläre Ablagerung fehlgefalteter Proteine zum Funktionsverlust und Absterben der Motoneuronen führt. „Aktuell wird im Forschungsfeld diskutiert, welche Rolle die Übererregung motorischer Nervenzellen für den Tod und Niedergang dieser Zellen spielt“, erklärt Professor Bernd Knöll, Leiter des Instituts für Neurobiochemie an der Universität Ulm. Der Begriff der Exzitotoxizität fällt in diesem Zusammenhang immer wieder und meint nichts anderes, als dass die Motoneuronen sozusagen an Reizüberflutung sterben. Knöll hat nun gemeinsam mit Professor Francesco Roselli in einer Studie untersucht, inwiefern die Erregbarkeit von Motoneuronen und die Anfälligkeit für neurodegenerative Prozesse zusammenhängen. Roselli arbeitet in der Klinik für Neurologie und ist Gruppenleiter am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Ulm.
Doch der Zusammenhang zwischen Krankheitsverlauf und
Erregbarkeit ist recht komplex. So deuten Beobachtungen darauf hin, dass
betroffene Motoneurone im Frühstadium der Erkrankung stärker, später aber
weniger erregbar sind als gesunde Nervenzellen. Solche Veränderungen in der
Erregbarkeit zeigen sich auch im Mausmodell.
Die Ulmer Forschungsgruppe hat nun in einer Arbeit
untersucht, über welche molekularen Mechanismen der Zusammenhang zwischen
Erregbarkeit und Anfälligkeit für ALS vermittelt wird. „Dabei stießen wir
auf einen besonderen Genregulator, der durch neuronale Aktivität aktiviert
wird und an kognitiven Prozessen wie Lernen und Gedächtnis beteiligt ist, aber
auch an der Entwicklung und Reparatur des Nervensystems“, berichten Natalie
Dikwella und Dr. Jialei Song, die beiden Erstautoren dieser wissenschaftlichen
Arbeit. Song promovierte im Rahmen eines Kooperationsprogrammes mit der
chinesischen Southeast University (SEU) Nanjing an der Universität Ulm. Bei
diesem Genregulator handelt es sich um den Transkriptionsfaktor „Serum
Response Factor“ (SRF), der – wie in der Ulmer Studie nachgewiesen wurde
– eine neuroprotektive Wirkung hat. So konnten die Forschenden anhand eines
Mausmodells der ALS experimentell zeigen, dass ein Ausschalten des
Genregulators SRF nicht nur den Krankheitsverlauf beschleunigt, sondern auch
dazu führt, dass die Krankheit früher eintritt. Im Umkehrschluss heißt dies:
„Wir haben also einen Genschalter identifiziert, der Motoneuronen schützt
und die potentiell positive Funktion der neuronalen Erregbarkeit vermittelt“,
so Francesco Roselli, der die Studie gemeinsam mit Bernd Knöll koordiniert
hat. Die ALS-Studie zeigt auch, wie hervorragend anhand von Tiermodellen –
hier am Beispiel der Maus – Aspekte neurodegenerativer Erkrankungen
abgebildet und untersucht werden können.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind
zuversichtlich, dass sich diese Erkenntnisse in Zukunft auch therapeutisch
nutzen lassen. „Mittlerweile gibt es viele pharmakologisch wirksame
Substanzen, die die neuronale Erregbarkeit modulieren. Es könnte durchaus
sinnvoll sein, diese Substanzen auch zur Behandlung von ALS einzusetzen“,
sagen die Forschenden, deren Projekt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft
gefördert wurde.
Jialei Song, Natalie Yashoda Dikwella, Daniela Sinske, Francesco Roselli, and Bernd Knöll. SRF deletion results in earlier disease onset in a mouse model of amyotrophic lateral sclerosis. In: JCI Insight, June 20, 2023, doi.org/10.1172/jci.insight.167694
Universität Ulm
Eine Ulmer Studie zu ALS hat aufgedeckt, dass der Genregulator SRF Motoneurone, die für ALS anfällig sind, vor neurodegenerativen Effekten schützt
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